Foto: Dr. Robert Mahler

06.11.2024
FW-Forum der Freien Wähler Nürnberg zum Selbstbestimmungsgesetz

Forum der Freien Wähler Nürnberg: Das neue Selbstbestimmungsgesetz im Fokus

Am 6. November begrüßte Thomas Estrada, Vorsitzender der FREIEN WÄHLER Nürnberg, ein interessiertes Publikum zu einem Forum über das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG), das seit dem 1. November in Deutschland gilt. Als Gastrednerinnen teilten Kerstin Haimerl-Kunze, Vorsitzende der Freien Wähler Frauen Bayern, und Eike Weißenfels, Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht a.D., ihre Expertise und beleuchteten die Hintergründe, Chancen und Risiken des Gesetzes.

Ein Gesetz mit guter Absicht, aber Risiken für Minderjährige und Frauen

Das neue Selbstbestimmungsgesetz löst das bisherige Transsexuellengesetz (TSG) ab, das seit den 1980er Jahren in Kraft war. Es wurde eingeführt, um die Rechte und Selbstbestimmung von Menschen zu stärken und Diskriminierung zu vermeiden. Ein zentrales Element des Gesetzes ist, dass Personen über 14 Jahren ohne medizinische oder psychologische Beratung ihr Geschlecht im Personenstandsregister ändern können. Für Kinder unter 14 Jahren erfolgt diese Änderung durch gesetzliche Vertreter.

Die Expertinnen kritisierten jedoch einige Regelungen des Gesetzes, insbesondere die fehlende verpflichtende Beratung für Minderjährige und für Eltern.  Dr. Alexander Korte, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie warnte in Studien vor den psychischen Folgen für Jugendliche, die diesem Druck ausgesetzt sind, ihre Identität in einer Lebensphase festzulegen, in der sich die Persönlichkeit noch stark entwickelt. Auch medizinische Eingriffe, die sich an eine zunächst formale Geschlechtsänderung anschließen, haben irreversible Folgen und seien eine Gefährdung für das Kindeswohl.

Einfluss auf Frauensport und Sicherheit

Ein weiterer Diskussionspunkt waren die Auswirkungen des Gesetzes auf den Frauensport und andere geschützte Frauenräume. Haimerl-Kunze führte Beispiele aus den USA an, wo die Debatte über die Teilnahme von Transpersonen am Frauensport seit Jahren hitzig geführt wird und beispielsweise Sportstipendien an den dortigen Universitäten betroffen sind. Der Frauensport werde laut den Expertinnen besonders beeinträchtigt, da biologisch männliche Personen aufgrund ihrer genetischen Voraussetzungen einen Vorteil haben.  Auch in Deutschland zeigen sich bereits Auswirkungen: Der Deutsche Fußball-Bund und der Deutsche Handballbund haben für Transpersonen ihre Teilnahmerichtlinien, im Frauensport geöffnet.

Die Situation in Frauenhäusern und Frauengefängnissen wird ebenfalls kritisch betrachtet, da hier bereits Fälle von Missbrauch dokumentiert wurden. Auch der Schutz frauenspezifischer Bereiche, wie etwa im Fitnessstudio Erlangen, wird durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) versucht einzuschränken, da dessen Vorgaben das „Hausrecht“ relativieren. Dies wird künftig zu einem Konflikt zwischen den gesetzlichen Anforderungen und den berechtigten Anliegen der Kundinnen führen.

Rechtliche Lücken und Herausforderungen

Weißenfels und Haimerl-Kunze verwiesen außerdem auf offene rechtliche Fragen, die über das SBGG hinaus geregelt werden müssen, etwa zur Strafbarkeit von Eingriffen bei Minderjährigen ohne Beratungs- oder Zustimmungsverfahren der Eltern. Auch bei der Durchführung von Identitätsänderungen gibt es keine einheitlichen Regelungen, die sich an internationale Standards halten – was im Bereich von weltweiten Fahndungen oder sicherheitsrelevanten Abgleichen problematisch werden könnte.

Zudem verwiesen die Expertinnen auf die Herausforderungen für Pädagogen und Schulen, die keine Handreichungen und keine klare rechtliche Orientierung zur praktischen Umsetzung erhalten haben. Auch die medizinische Versorgung wurde angesprochen, die im SBGG nicht geregelt ist, jedoch mit bedacht werden müssen: Weder für Eltern noch für die Betroffenen selbst bestehen verbindliche Vorgaben, wie mit medizinischen Eingriffen im Rahmen einer Geschlechtsangleichung umzugehen ist. Die Verantwortung wird hier allein den Ärzten, Eltern und Kindern überlassen.

Fazit: Diskussion und Forderungen

Das Forum bot einen wichtigen Einblick in die teils weitreichenden Konsequenzen des Selbstbestimmungsgesetzes und brachte zahlreiche Fragen und Bedenken auf den Tisch. Haimerl-Kunze und Weißenfels schlossen mit einem Appell an die Politik, die offenen Punkte zu klären und das Gesetz so zu gestalten, dass die Rechte und der Schutz aller betroffenen Gruppen – insbesondere Minderjährige und Frauen – gewährleistet bleiben. Es wird erwartet, dass diese Themen in den nächsten Monaten weiter kontrovers diskutiert und gegebenenfalls angepasst werden.

Das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) ist grundsätzlich auch verfassungsrechtlich umstritten. Die Verfasser des Grundgesetzes bezogen sich seinerzeit eindeutig auf das biologische Geschlecht. Das SBGG hingegen definiert den Geschlechtsbegriff neu und macht ihn in weiten Teilen zur freien Wahl.

Dieses Forum der Freien Wähler Nürnberg hat verdeutlicht, dass das neue Selbstbestimmungsgesetz nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen mit sich bringt, die einer differenzierten Betrachtung und gesellschaftlichen Debatte bedürfen.